Nun, komisch sein ist ja nicht grundsätzlich positiv behaftet, aber auch nicht zwangsläufig negativ.
Komisch kann mehr oder weniger witzig, sonderbar, eigenartig, seltsam, humorvoll sein, eine Meinung
auf andere Menschen wirken.
Die Palette komisch sein zu können, scheint schier unerschöpflich.
Ich habe viele komische Menschen in meinem Leben kennenlernen dürfen oder müssen.
Die Letzteren sind ebenso wenig aus dem Gedächtnis zu löschen, wie glücklicherweise die netten
Begegnungen. Schön, dass viele angenehme Momente die anderen stets in Schach halten. Meistens.
Wer waren diese komischen Menschen, die meine Wege kreuzten?
Darüber möchte ich jetzt erzählen.
Um es vorwegzunehmen - seid nicht komisch, habt keine Bedenken, dass man euch entlarvt.
Alle Geschichten sind subjektiven Wahrheiten. Die Namen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit anderen Personen, lebende oder nicht mehr unter uns weilende Persönlichkeiten sind rein zufällig. Und sollte doch komischerweise jemand mit meiner Art der Betrachtung sich komisch fühlen, so freue ich mich auf ein Feedback:
info@GunarMatzick.com
Unzählige Doktortitel säumten meine Wege.
Dr. Sollmann, groß gewachsen, sehr schlank, leicht gebeugt gehend und süffisant lächelnd, war durch und durch organisiert. Die Meetings mit ihm verliefen unaufgeregt, gnadenlos effektiv, kein Mimi, kein Chichi. Kommen, diskutieren, entscheiden und weg. Mal ganz nebenbei, viele Meetings/Tagungen/Projektgruppen oder sonstige Spaßveranstaltungen in den Folgejahren bei anderen Unternehmen, waren tatsächlich oft unterhaltsamer, kurioser und nicht unerheblich häufig ergebnisoffen, denen Arbeitskreise, runde Tische und sonstige Theraphiegruppen mit abenteuerlichen Zielen ins Leben gerufen wurden. Kekse wurden mittlerweile auch sehr viel mehr aufgefahren. Die akademikergesteuerte Arbeitsweise von Dr. Sollmann war auf wundersame Art ansteckend. So manche der heutigen Influencer hätten gegen ihn wie testosterongesteuerte Minusamateure ausgesehen. Unser Team tickte später im wahrsten Sinne des Wortes wie der Doktor. Es hat Zeit gebraucht, bis wir kapiert haben, wie man mit dem knappen Gut Zeit umgeht. Jedes geplante Aufeinandertreffen mit
Dr. Sollmann, wurde mit mehr oder weniger Pieptönen begleitet. Sein stets im 15-Minuten-Takt voreingestellter Chronometer half ihm dabei, seine Gesprächspartner rechtzeitig nach einem dezenten, jedoch unmissverständlichen Piep das Ende der Audienz zu signalisieren. Dr. Sollmann lud uns zu einem Umtrunk in sein durch Zeitmanagement kontaminiertes Büro, anlässlich der Geburt seiner Tochter ein. Wir gratulierten bei Champagner und warmen Zwiebelkuchen. Einer fehlte, der Piep.
Dr. Bosh, das klassische Bild von einem Frühstücksdirektor, manchmal physisch und mental mehr oder weniger bei der Sache. Zweifelsohne ein heller Kopf, der auf die Nennung seines Titels äußerst großen Wert legte. Das war für mich dann eher keine Herausforderung. Ich tauschte den Herrn mit dem Doktortitel, was erfreulicherweise zeitlich ein Einsparungspotenzial darstellte. Ziele zu definieren waren einer einfachen Formel geschuldet - der 80:20 Regel. Mit nur 20 Prozent Einsatz 80 Prozent des angepeilten Ergebnisses erreichen. Der ausschließlich definierte Einsatz half nicht wirklich weiter, wenn das Füllhorn an Ideen nahe zu 100 % leer war. Mit „Sie wissen ja, wie es geht“, lag das Runde wieder bei uns. Wie organisiert man eine Weihnachtsfeier für seine Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter? Ideenreichtum und die soziale Kompetenz, eher ein Feingefühldefizit, gipfelte darin, dass Dr. Bosh zur Mittagszeit eine Runde Glühwein und lauwarmen Kakao auf dem Weihnachtsmarkt auffahren ließ. Einen Kinderpunsch für die Autofahrenden wäre sicherlich eine scheinbare Alternative gewesen, hätte aber wahrscheinlich das Risiko einer Magenverstimmung eher gesteigert. Alles nett gemeint, aber halt nur nett. Schön war’s am Ende, als sich alle verabschieden durften.
Viele kleine, mehr oder weniger „große“ Männer habe ich kennengelernt. Hans-Uwe Kox zeigte Größe, versuchte es zumindest bei 170 cm incl. Hut mit der Planung und Umsetzung imposanter Gebäude als Architekt für ein Bekleidungsunternehmen. Dabei durfte er sich groß, ganz groß machen und die gesamte Klaviatur der schöpferischen Ergüsse spielen. Messing, Edelstahl, LEDs, Plexi, großformatige Spiegel, Teppiche, Möbeleinbauten nur vom Feinsten waren nur ein kleiner Auszug von Pomp und Protz. Dem Eigentümer gefiel es, meistens. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, als ein funkelnder Prachtbau in einer Arbeiterstadt des Ruhrgebiets bei den Kunden eher abschreckend präsentierte. Der Ehegatte im Blaumann traute sich mit seiner Liebsten eben nicht in diesen pompösen, funkelnden Palast. Nur kurze Zeit nach der Neueröffnung des Hauses durfte die Kreativität von Hans-Uwe Kox eine Rolle rückwärts aufs Parkett legen. Der bauliche Rückbau in normale Hemisphären war die einzig richtige, wenngleich kostspielige Konsequenz. Künstlerische Freiheit hatte halt ihren Preis. Hans-Uwe Kox ist dadurch nicht kleiner, aber auch nicht größer geworden. Er stolzierte weiterhin bei seinem Tross vorneweg durch den Verkauf und die wirklich großen Männer mit einem unverkennbaren Lächeln hinterher. Künstler halt.
Ein kleiner, großer war auch Lasse Schorn. Viele Erfolge konnte er auf seiner Habenseite verbuchen. Und wie hat er diese selbstverständlich und ausgiebig gefeiert, vor allem sich feiern lassen. Nun, in seiner Blütezeit auch nicht zu Unrecht. Seine Bühnenpräsenz, im Super-Skinny-Slim-Fit-Anzug, kostete er genüsslich mit seinem Gesang aus. Die erste Textzeile von seinem Klassiker „Heut‘ ist der Tag“ ist ein Ohrwurm, der einfach nicht mehr ausziehen mag. Na klar, schließlich gehörten seine Mitarbeiter, also auch ich, seinem Background Chor an. Ohne Wenn und Aber, gemeinsam Erfolge zu feiern, das waren Erlebnisse, die man nicht mehr missen mag. Schade, dass seine Nähe zu vielen Chormitgliedern zunehmend verlustig ging, einem größeren Abstand wich. „Mal eine Millisekunde darüber nachgedacht“, hätten womöglich eine Kurskorrektur und mehr Rückhalt bei seinen Fans zur Folge gehabt. „Heut‘ ist der Tag“ und alles hat ein Ende.
Lars Proden war eine ehrliche Haut, vielleicht der aufrichtigste Mensch, den ich erleben durfte. Er nahm kein Blatt vor dem Mund, wenn es um seine Meinung ging, seine ureigene Sichtweise auf die Dinge des Lebens. Das tat er aber auch nur dann, wenn er danach gefragt wurde. Und diese kam dann in norddeutscher Staubtrockenheit mit einem Lächeln - man bildete sich dies vielleicht auch nur ein - und wohl pointierten, markigen Worten. Sein Umfeld wusste allzu gut, welche besonderen Gefühlsausbrüche man damit auslösen würde. Wenn heute zur Bewertung in der Mode ein „Das tut nichts für dich“ herhalten muss, ging das bei
Lars Proden mit einem „Kann man so machen, sieht aber kacke aus“ sehr zielgerecht in die richtige Richtung. Sein wir mal offen, die beiden Aussagen liegen doch nur Nuancen auseinander. Allerdings schmerzt die kernige Meinung mehr als die andere, ist jedoch lupenrein ehrlich. Ich liebe es.
Wenn es um Rituale geht, dann hat
Klaus Schwobel einen großen Anteil daran, mich von lieb gewonnenen Gewohnheiten, notwendiger Strukturen im Leben zu überzeugen. Allabendlich hatte das wohlverdiente Feierabendbier einen festen Platz zum Tagesausklang. Nun, indirekt hatten auch unsere Kunden ihren Anteil daran, dass uns das Gebräu noch während der laufenden Geschäftszeit so richtig mundete. Die Kunst und der Reiz lagen darin, die Gläser und Flaschen für ein „Sieben-Minuten-Pils“ so zu positionieren, einzuschenken und schließlich zu trinken, dass es eben nicht so offensichtlich war - für unsere Kunden. Mit Hilfe geschickter Platzierung von Büchern und Schallplattencover, gewissermaßen als Paravent, konnte der direkte Blick der Kundschaft auf das Gelage mit diesem Sichtschutz vermieden werden. In diesem Zusammenhang fällt mir der wenig humorvolle Hinweis von
Hartmut Feger in einem anderen Zusammenhang ein: „Kunde droht mit Auftrag“. Irgendwie störten doch die Kunden vor Geschäftsschluss. Zurück zum Feierabendbier. Es lag Bierduft in der Luft. Mit einem hastigen Schluck aus dem Glas, den Pilsschaum mit dem rechten Handrücken vom Mund wischend und dem Zurechtrücken der heute wieder erstarkten Hornbrille, galt die Aufmerksamkeit von
Klaus Schwobel wieder dem Kunden, wenn sie das Geschäft betraten. Zu einer Übersprunghandlung gehörte in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch das Hochziehen seiner Hose. Gewissermaßen alles Rituale. Die Rituale von damals sind auch die Rituale von heute. Jedoch mit dem Unterschied, mit Prosecco und Sekt gegen das gute alte Bier zu tauschen. So manche unachtsam verwaiste leere Flasche deutet auf noch gelebte Rituale, die scheinbar Mitarbeiter auch in heutiger Zeit pflegen. Auch die Art und Weise, es zu verbergen, ist moderner geworden. An Ideenreichtum mangelt es nicht. Übrigens, das gepflegte Bier hat bei mir auch gelegentlich seinen Platz, nach Feierabend.
Alkohol-/ und Nikotingeruch lagen am Montagmorgen wiederholt in der Luft, nachdem ich die schwere Tür des Fotoateliers nur langsam öffnen konnte. Giuseppe Capodunno, ein Meister seines Fachs, zelebrierte meist am Wochenende die munteren Kartenspiele mit Hochprozentigem und Zigarren. Man stelle sich nur die Szenerie vor: ein riesiges Fotoatelier mit unverschämt hohen Decken, Dunkelheit nur durch eine Pendelleuchte unterbrochen, ein runder, klebriger Tisch, gebrauchte Spielkarten, knarrende Stühle, volle Aschenbecher und reichlich leere Flaschen. Ob und wie viel Geld geflossen ist, vermag ich nicht zu beurteilen, aber zu erahnen. Seine munteren Spielgefährten habe ich nie kennengelernt, die ich selbstverständlich nie hinterfragt habe. Giuseppe Capodunno sprach es keineswegs aus, aber ich spürte es: „Frag mich niemals nach meinen Geschäften!“ Was mir blieb, waren die weniger amüsanten Aufräumarbeiten in der nikotingeschwängerten Location. Mit mir kamen wieder Luft, Licht und Sauberkeit ins Atelier. Wir waren bereit für die nächsten Auftraggeber, die natürlich nichts ahnten. Und ich war ein Geheimnisträger. Irgendwie gefiel mir das.
Fortsetzung folgt!